Die Kunst des Übersetzens
Warum ist die schriftliche Übertragung eines Textes in eine andere Sprache so schwierig? Wieso lassen einen die guten Fremdsprachenkenntnisse und das Wörterbuch dabei so oft im Stich? Wieso können wir das Übersetzen nicht einfach den Computern überlassen und benötigen dazu ausgebildete Spezialisten? Und warum übersetzen Profis ausschliesslich in ihre Muttersprache?
Sie müssen selbst kein Übersetzer sein, um diese Fragen beantworten zu können. Ein paar einfache Überlegungen werden genügen, um Ihnen die Komplexität des Übersetzens ein wenig näher zu bringen. Monsieur Le Chat hilft uns dabei auf die Sprünge:
„Un bon bonbon ne se dit pas en anglais... a good good good." Er bringt damit folgendes auf den Punkt: Wenn wir einen Text in eine andere Sprache übertragen wollen, können wir nicht einfach die einzelnen Wörter durch andere ersetzen. Es wäre nur zu schön, wenn dem so wäre. Übersetzen wäre dann ein Leichtes und die Computer hätten uns diese Arbeit längst abgenommen. Paradoxerweise spielen die Wörter bei der Übersetzung aber nicht die Hauptrolle. Denn übersetzt wird nicht primär auf der Ebene der Wörter, sondern auf der Ebene der Gedanken. Kein Wort, Satz oder Text lässt sich korrekt übertragen, wenn sich der Übersetzer nicht gedanklich genauestens vorstellen kann, was der Autor ursprünglich sagen wollte. Erst dann kann er sich überlegen, wie er die Gedanken des Autors in der Zielsprache formulieren will.
Schauen wir nochmals unser Beispiel "un bon bonbon" an. Übersetzt man hier den Wörtern entlang, dann lautet der englische Satz einfach: "a good good good". Ein maschinelles Übersetzungsprogramm wie Babelfish liefert Ihnen zum Beispiel eine solche Übersetzung, weil der Computer nicht versteht, dass die letzten beiden Wörter zusammengehören. Könnte er sich jedoch inhaltlich vorstellen, was ein Bonbon ist, dann würde er nicht diesen sinnlosen Satz ausgeben, sondern korrekt schreiben: "a good sweet".
Dies ist natürlich ein sehr einfaches Beispiel. In der Realität wird die Angelegenheit sehr schnell wesentlich komplizierter. Wie würden Sie beispielsweise die Phrase "a foreign bank" ins Deutsche übersetzen? Wenn Sie sich nur an den sprachlichen Strukturen orientieren, lautet Ihre Übersetzung wahrscheinlich: "eine ausländische Bank". Überlegen Sie jedoch wie ein Übersetzer, dann versuchen Sie sich zuerst vorzustellen, was mit "foreign bank" inhaltlich gemeint ist. Dazu stellen Sie sich die Frage, in welchem Land dieser Text geschrieben wurde und worum es in diesem Text eigentlich geht. Wenn wir davon ausgehen, dass es sich um einen Text aus dem Amerikanischen mit dem Thema "Quellensteuer" handelt, bei dem die Perspektive an ein deutschsprachiges Publikum angepasst werden muss, werden Sie zur folgenden korrekten Übersetzung gelangen: "eine nicht in den USA ansässige Bank".
Wohlgemerkt: Solche Informationen stehen in keinem Wörterbuch und müssen vom Übersetzer selbst erarbeitet werden. Somit wird klar, warum das Übersetzen nicht nur eine rein sprachliche Arbeit ist. Neben Sprachkenntnissen ist hier nämlich auch viel Allgemeinwissen sowie ein gutes Vorstellungsvermögen gefragt.
Denken wie der Autor
Inhaltliche Schwierigkeiten wie im vorher genannten Beispiel kommen in der Realität sehr häufig vor und können beliebig komplex sein. So muss ein Übersetzer zur korrekten Übertragung eines Textes aus der Molekularbiologie auch die in ihm enthaltenen molekularbiologischen Zusammenhänge nachvollziehen können. Zudem muss er die in der entsprechenden Fachsprache geltenden Konventionen kennen. Falls sein Wissen dazu nicht ausreicht, muss er zum Teil aufwendige Recherchen vornehmen und nötigenfalls beim Kunden nachfragen. Denn: Um die Sprache des Experten sprechen zu können, muss der Übersetzer auch so denken können wie der Autor.
Bei Marketing- und Werbetexten, wo es darum geht, dass der übersetzte Text im neuen Sprachgewand dieselbe Wirkung erzielt wie das Original, muss der Übersetzer umso mehr in der Lage sein, auf der "gedanklichen" Ebene zu arbeiten. Dazu muss er sich von den sprachlichen Strukturen des Ausgangstextes vollständig lösen können und die Botschaft in der Zielsprache mit zum Teil ganz neuen Mitteln wiedergeben.
Dies ist wahrhaftig ein schwieriges Unterfangen, das ohne Ausbildung oder mehrjährige Praxis nicht gelingt. Das gilt sowohl für Übersetzungen in die Fremdsprache, als auch für jene in die Muttersprache. Auch bei sehr guten Fremdsprachenkenntnissen fällt es einem Ungeübten in aller Regel sehr schwer, einen fremdsprachigen Satz in die eigene Sprache zu übertragen, geschweige denn einen ganzen Text. So wie ein Klavierschüler sich zu Beginn auf die einzelnen Noten und Tasten konzentrieren muss, klebt auch ein Übersetzerstudent anfangs an den einzelnen Wörtern. Das Spiel mit der Musik beziehungsweise der freie Umgang mit Wörtern und Gedanken verlangt schliesslich eine Menge Übung.
Ein professioneller Übersetzer hat diese Übung. Er Überträgt einen Text als Ganzes, das heisst losgelöst von den einzelnen Wörtern und Strukturen und dennoch mit einer absoluten inhaltlichen und stilistischen Präzision in die Zielsprache (in aller Regel seine Muttersprache). Dazu geht er systematisch vor und führt am Anfang eine ausführliche Textanalyse durch. Dadurch stellt er sicher, dass er den Text nicht nur auf der Oberfläche, sondern auch in seiner Tiefenstruktur richtig versteht. Mit anderen Worten, er erfasst auch sämtliche impliziten Informationen sowie alles nötige Hintergrundwissen, das für die Übersetzung relevant ist. Dazu zählen unter vielen anderen Dingen zum Beispiel die Haltung des Autors oder bestimmte Ereignisse oder Fakten, auf die der Text nur indirekt Bezug nimmt.
Auch das Zielpublikum wird analysiert, damit der Übersetzer im zielsprachlichen Text den richtigen Ton trifft. Schliesslich macht es einen Unterschied, ob etwa die Mitteilung eines Stellenabbaus für die Investoren des entsprechenden Unternehmens oder die Betroffenen selbst gedacht ist. Ein Übersetzer muss somit äusserst stilsicher sein, wobei es wichtig ist, dass er sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der Sprache auch auf der theoretischen Ebene auskennt. Sein Endprodukt liest sich flüssig und lässt nicht wiedererkennen, dass es sich um eine Übersetzung handelt.
Eine Fähigkeit - mehrere Teilkompetenzen
Wer noch nie selbst übersetzt hat, kann nur schwer erahnen, was für eine komplexe Aufgabe das Übersetzen wirklich darstellt. Übersetzen ist eine Fähigkeit, die aus verschiedenen Teilkompetenzen besteht (hohe Schreibkompetenz in der Muttersprache, textanalytische Fähigkeiten, Recherchierkompetenz, Textsortenwissen etc.). Diese Teilkompetenzen müssen in einem mehrjährigen Studium einzeln angeeignet werden und "verschmelzen" erst im Laufe der Zeit zur eigentlichen Übersetzungskompetenz. Daher ist es ein Trugschluss zu glauben, dass gute Fremdsprachenkenntnisse allein ausreichen, um übersetzerisch tätig sein zu können.
Sie müssen selbst kein Übersetzer sein, um diese Fragen beantworten zu können. Ein paar einfache Überlegungen werden genügen, um Ihnen die Komplexität des Übersetzens ein wenig näher zu bringen. Monsieur Le Chat hilft uns dabei auf die Sprünge:
„Un bon bonbon ne se dit pas en anglais... a good good good." Er bringt damit folgendes auf den Punkt: Wenn wir einen Text in eine andere Sprache übertragen wollen, können wir nicht einfach die einzelnen Wörter durch andere ersetzen. Es wäre nur zu schön, wenn dem so wäre. Übersetzen wäre dann ein Leichtes und die Computer hätten uns diese Arbeit längst abgenommen. Paradoxerweise spielen die Wörter bei der Übersetzung aber nicht die Hauptrolle. Denn übersetzt wird nicht primär auf der Ebene der Wörter, sondern auf der Ebene der Gedanken. Kein Wort, Satz oder Text lässt sich korrekt übertragen, wenn sich der Übersetzer nicht gedanklich genauestens vorstellen kann, was der Autor ursprünglich sagen wollte. Erst dann kann er sich überlegen, wie er die Gedanken des Autors in der Zielsprache formulieren will.
Schauen wir nochmals unser Beispiel "un bon bonbon" an. Übersetzt man hier den Wörtern entlang, dann lautet der englische Satz einfach: "a good good good". Ein maschinelles Übersetzungsprogramm wie Babelfish liefert Ihnen zum Beispiel eine solche Übersetzung, weil der Computer nicht versteht, dass die letzten beiden Wörter zusammengehören. Könnte er sich jedoch inhaltlich vorstellen, was ein Bonbon ist, dann würde er nicht diesen sinnlosen Satz ausgeben, sondern korrekt schreiben: "a good sweet".
Dies ist natürlich ein sehr einfaches Beispiel. In der Realität wird die Angelegenheit sehr schnell wesentlich komplizierter. Wie würden Sie beispielsweise die Phrase "a foreign bank" ins Deutsche übersetzen? Wenn Sie sich nur an den sprachlichen Strukturen orientieren, lautet Ihre Übersetzung wahrscheinlich: "eine ausländische Bank". Überlegen Sie jedoch wie ein Übersetzer, dann versuchen Sie sich zuerst vorzustellen, was mit "foreign bank" inhaltlich gemeint ist. Dazu stellen Sie sich die Frage, in welchem Land dieser Text geschrieben wurde und worum es in diesem Text eigentlich geht. Wenn wir davon ausgehen, dass es sich um einen Text aus dem Amerikanischen mit dem Thema "Quellensteuer" handelt, bei dem die Perspektive an ein deutschsprachiges Publikum angepasst werden muss, werden Sie zur folgenden korrekten Übersetzung gelangen: "eine nicht in den USA ansässige Bank".
Wohlgemerkt: Solche Informationen stehen in keinem Wörterbuch und müssen vom Übersetzer selbst erarbeitet werden. Somit wird klar, warum das Übersetzen nicht nur eine rein sprachliche Arbeit ist. Neben Sprachkenntnissen ist hier nämlich auch viel Allgemeinwissen sowie ein gutes Vorstellungsvermögen gefragt.
Denken wie der Autor
Inhaltliche Schwierigkeiten wie im vorher genannten Beispiel kommen in der Realität sehr häufig vor und können beliebig komplex sein. So muss ein Übersetzer zur korrekten Übertragung eines Textes aus der Molekularbiologie auch die in ihm enthaltenen molekularbiologischen Zusammenhänge nachvollziehen können. Zudem muss er die in der entsprechenden Fachsprache geltenden Konventionen kennen. Falls sein Wissen dazu nicht ausreicht, muss er zum Teil aufwendige Recherchen vornehmen und nötigenfalls beim Kunden nachfragen. Denn: Um die Sprache des Experten sprechen zu können, muss der Übersetzer auch so denken können wie der Autor.
Bei Marketing- und Werbetexten, wo es darum geht, dass der übersetzte Text im neuen Sprachgewand dieselbe Wirkung erzielt wie das Original, muss der Übersetzer umso mehr in der Lage sein, auf der "gedanklichen" Ebene zu arbeiten. Dazu muss er sich von den sprachlichen Strukturen des Ausgangstextes vollständig lösen können und die Botschaft in der Zielsprache mit zum Teil ganz neuen Mitteln wiedergeben.
Dies ist wahrhaftig ein schwieriges Unterfangen, das ohne Ausbildung oder mehrjährige Praxis nicht gelingt. Das gilt sowohl für Übersetzungen in die Fremdsprache, als auch für jene in die Muttersprache. Auch bei sehr guten Fremdsprachenkenntnissen fällt es einem Ungeübten in aller Regel sehr schwer, einen fremdsprachigen Satz in die eigene Sprache zu übertragen, geschweige denn einen ganzen Text. So wie ein Klavierschüler sich zu Beginn auf die einzelnen Noten und Tasten konzentrieren muss, klebt auch ein Übersetzerstudent anfangs an den einzelnen Wörtern. Das Spiel mit der Musik beziehungsweise der freie Umgang mit Wörtern und Gedanken verlangt schliesslich eine Menge Übung.
Ein professioneller Übersetzer hat diese Übung. Er Überträgt einen Text als Ganzes, das heisst losgelöst von den einzelnen Wörtern und Strukturen und dennoch mit einer absoluten inhaltlichen und stilistischen Präzision in die Zielsprache (in aller Regel seine Muttersprache). Dazu geht er systematisch vor und führt am Anfang eine ausführliche Textanalyse durch. Dadurch stellt er sicher, dass er den Text nicht nur auf der Oberfläche, sondern auch in seiner Tiefenstruktur richtig versteht. Mit anderen Worten, er erfasst auch sämtliche impliziten Informationen sowie alles nötige Hintergrundwissen, das für die Übersetzung relevant ist. Dazu zählen unter vielen anderen Dingen zum Beispiel die Haltung des Autors oder bestimmte Ereignisse oder Fakten, auf die der Text nur indirekt Bezug nimmt.
Auch das Zielpublikum wird analysiert, damit der Übersetzer im zielsprachlichen Text den richtigen Ton trifft. Schliesslich macht es einen Unterschied, ob etwa die Mitteilung eines Stellenabbaus für die Investoren des entsprechenden Unternehmens oder die Betroffenen selbst gedacht ist. Ein Übersetzer muss somit äusserst stilsicher sein, wobei es wichtig ist, dass er sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der Sprache auch auf der theoretischen Ebene auskennt. Sein Endprodukt liest sich flüssig und lässt nicht wiedererkennen, dass es sich um eine Übersetzung handelt.
Eine Fähigkeit - mehrere Teilkompetenzen
Wer noch nie selbst übersetzt hat, kann nur schwer erahnen, was für eine komplexe Aufgabe das Übersetzen wirklich darstellt. Übersetzen ist eine Fähigkeit, die aus verschiedenen Teilkompetenzen besteht (hohe Schreibkompetenz in der Muttersprache, textanalytische Fähigkeiten, Recherchierkompetenz, Textsortenwissen etc.). Diese Teilkompetenzen müssen in einem mehrjährigen Studium einzeln angeeignet werden und "verschmelzen" erst im Laufe der Zeit zur eigentlichen Übersetzungskompetenz. Daher ist es ein Trugschluss zu glauben, dass gute Fremdsprachenkenntnisse allein ausreichen, um übersetzerisch tätig sein zu können.